Fluidität als essenzielle Komponente der Identität

Nina Vukovic

There´s an empty room, four white walls, a stool in front of one of them, camera in the middle of the room, a small mirror, a spot light and me with a wig on the head. I set the timer to ten seconds, sit down on the stool and look over at the reflection of the person in the mirror standing right behind the camera tripod. I just stare right into the camera and there it is – the first photo taken from me of myself. I never felt more myself before than in the moment when I was disguised so that I was even unrecognisable to myself. I look over in my reflection and start to question who am I right now. Am I a low-key boring and uncreative person or am I just sitting in front of anxious, depressed and scared version of myself?

Everybody has some kind of identity crisis sometime and I take it as it comes, I live with it and I try not to hide it because I´m not able to anymore. I can´t always act normal because I am not normal. I would like to think that I´m ok but I believe I am not. So many questions are floating around in my head that I can not find the answer to: which role will I play today? Which color lipstick should I wear or which wig should I put on today? I like the idea of being me in variantions as it never gets boring but I can´t find the one to settle in. My vision is not always clear – it´s often blurry.

Nina Vukovic

Wer genau ich bin weiß ich nicht ganz genau, aber ich bin viele Versionen von mir.  Ich mache was ich mache, weil ich das gerne mache, und ich mache es für mich und die anderen. Ich heiße Nina, bin 21 Jahre alt und studiere Kommunikationsdesign. Prinzipiell arbeite ich lieber alleine, so kann ich mich besser konzentrieren, aber es kommt auf die Aufgabe an. Mein Lieblingsfach in der Schule war Kunst, da konnte ich so richtig glänzen und habe auch oft noch zusätzlich die Hausaufgaben der anderen gemacht. Ich mochte es, dass man während des Kunstunterrichts Kopfhörer anhaben konnte, um Musik zu hören. Ich glaube an Karma. Ich glaube auch an das Gute in Menschen.  

Autorin: Juliane Tombiri
Künstlerin: Nina Vukovic
Titel: Blurry
Subline: Fluidität als essenzielle Komponente der Identität.

„Everybody has some kind of identity crisis sometime and I take it as it comes, I live with it and I try not to hide it because I ́m not able to anymore.“

Mit diesen Worten und einer neuen Perspektive leitet uns Nina Vukovic durch ihr Projekt, das im Rahmen der Workshopwoche mit dem Überthema ,,Wer bin ich, wenn ja wie viele?“ im November 2020 entstanden ist. Innerhalb des Projektes befassten sich die Teilnehmer*innen mit verschiedenen Fragen und Denkansätzen zum Thema Identität und Selbstwahrnehmung. Die Gestalter*innen erarbeiteten mit ihren Selbstportraits ein lebendiges und introspektives Gesamtwerk, das die verschiedenen Erkenntnisse und Eindrücke der Partizipierten einfängt.

Nina Vukovic entschied sich in ihrer Arbeit dazu, die Betrachter*innen ganz nah an sich heranzulassen. Der Text, der die Arbeit begleitet, gibt bereits zu verstehen, dass Nina Vukovic Offenheit gegenüber dem Ungewissen des Selbst an den Tag legt. Fast dokumentarisch beschreibt sie in ihrem Text ihr Vorgehen. Wir begleiten sie dabei, wie sie ihre feinmaschig gestrickten Gedankenmuster über sich selbst langsam auflöst. So ist die ganze Arbeit durchzogen von tiefgehenden Fragen, die das Selbst als einen flüchtigen Moment und weniger als eine in Stein gemeißelte Realität portraitiert.

In ihrer neunteiligen Fotoserie spielt Nina Vukovic mit dem technischen Stilmittel der Bildverzerrung und dem Terminus ,,verzerrtes Selbstbild“. In jedem Bild sieht man die Gestalterin selbst. Sie trägt nichts weiter als ein schwarzes Negligé, einen dunklen Lippenstift und eine kurze blonde Perücke, die mit zwei großen weißen Haarclips zurückgesteckt sind. Beim Betrachten werden wir immer wieder aufs Neue dazu eingeladen, Stimmung und Kontext zu interpretieren.

Die Schwarzweißfotografien zeigen Vukovic immer zwischen Pose und Affekt. Obwohl die Bilder einen klaren Zusammenhang, durch Form und Farbe aufweisen, wirkt die Arbeit nicht wie ein geplantes Fotoshooting viel mehr löst die Arbeit ein Gefühl von Spontanität aus, fast wie eine in die Länge gezogene Momentaufnahme.

Die Selbstwahrnehmung ist ein komplexes Thema, das nicht einfach zu entschlüsseln ist. Fast wie bei einem Labyrinth. Immer wieder verfolgt man voller Überzeugung einen Weg, nur um dann entweder auf eine Sackgasse oder auf neue Abzweigungen zu stoßen. Das Erfahren vom ,,wahren‘‘ Selbst kann, genau wie bei einem Labyrinth, nichts anderes als eine Illusion sein, die den Suchenden suchen lässt.

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